So langsam spricht es sich herum, dass zu wenig Schlaf ungesund ist und auf Dauer zu zahlreichen Erkrankungen führen kann. Eine auch berechtigte und immer wieder gestellte Frage ist, ob zu viel Schlaf auch ungünstig ist. Dieser Frage wollen wir in diesem Beitrag nachgehen.

Zu wenig und zu viel Schlaf: Die Studienlage

Über die Frage, ob zu wenig und zu viel Schlaf ungesund ist, gibt es bereits einige gute Studien. Dies sind Metaanalysen. Bei einer Metaanalyse werden zu einem bestimmten Thema alle qualitativ ausreichenden, verfügbaren Studien gesichtet und analysiert. Die Ergebnisse werden dann ausgewertet.

Über den Zusammenhang aus der Schlafdauer und des Sterberisikos (All-cause-mortality) möchten wir zwei bekannte Metaanalysen heranziehen.

  • In der ersten Analyse aus dem Jahre 2017 wurden über 43.000 Menschen über einen Zeitraum von 13 Jahren beobachtet. Das Ergebnis ist klar: wer zu wenig schläft (<5 Stunden pro Nacht), hat ein um 37 % erhöhtes Sterberisiko. Wer zu viel schläft (>8 Stunden pro Nacht), hat ein um 27 % erhöhtes Sterberisiko.
  • In der zweiten Studie wurden Daten über insgesamt ca. 1,4 Millionen Menschen herangezogen (Beobachtungszeitraum 4-25 Jahre). Zu wenig Schlaf (<5 Stunden) war mit einer Erhöhung des Sterberisikos um 12 % assoziiert, zu viel Schlaf (>8 Stunden) um 30 %!

Was bedeutet das nun? Das ist die entscheidende Frage.

Ist zu viel Schlaf also toxisch?

Reden wir zuerst über Studiendesign:

Über Korrelation und Kausalität

Sicher hast du das schon einmal gehört. Wenn es um Studien geht, muss man zwischen Korrelation und Kausalität unterscheiden:

Korrelation bedeutet, zwei Dinge passieren parallel. In China fällt ein Sack Reis um, während zeitgleich in den USA die Tesla Aktie um 30 % in die Höhe schießt. Zwei Dinge passieren parallel, haben aber nichts miteinander zu tun. Das ist Korrelation.

Kausalität bedeutet, zwei Dinge passieren parallel und hängen direkt miteinander zusammen. Die Heizung ist kaputt, also ist es im Haus zu kalt. Oder ich habe 2 l schwarzen Kaffee getrunken, jetzt habe ich Herzrasen. Das sind Kausalitäten.

Warum erzähle ich das? Bei den Metaanalysen ging es rein um die Messung von Korrelationen. Es wurden keine Kausalitäten gemessen, über diese muss man aber diskutieren und sie lassen viel Raum für Diskussion:

Zu wenig Schlaf

Die Forscher in den Analysen bezeichnen die erhöhte Sterbewahrscheinlichkeit bei zu wenig Schlaf als sehr wahrscheinliche Korrelation. Wer zu wenig schläft, hat ein erhöhtes Sterberisiko, weil…

… die Gefahr für Autounfälle erhöht ist.

… das Risiko für Typ 2 Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs erhöht ist.

… Betroffene wahrscheinlich auch schlechter regenerieren und Entgiftungsprobleme entwickeln.

… Betroffene durch die geringe Schlafdauer mehr Stress erfahren (mehr Cortisol)

Was auch sein kann ist, dass diese Menschen statistisch gesehen weniger Sport treiben, weniger gesund essen und dadurch Gesundheitsproblem entwickeln könnten. Doch das wären wieder nur Begleiterscheinungen, keine kausalen Zusammenhänge.

Das Ding mit Korrelation und Kausalität ist nicht immer 100 % eine Entscheidung zwischen schwarz und weiß, oftmals geht es um Gewichtung.

Und die Forscher werden nicht müde zu sagen, dass der Zusammenhang zwischen zu wenig Schlaf und einem erhöhten Sterberisiko größtenteils eine Korrelation ist.

Wie sieht es mit zu viel Schlaf aus?

Zu viel Schlaf Wecker vor grauer Wand

Wir leben nach der Uhr. Wie viel Raum hat Schlaf dabei?

Zu viel Schlaf

Diese Frage wird nun die meisten interessieren: ist zu viel Schlaf schädlich?

Hier schreiben die Forscher, dass es sich nur geringfügig um kausale Zusammenhänge handelt, überwiegend um Korrelationen.

Der Mensch braucht ausreichend Schlaf und ein hochwertige Schlafhygiene, um sich nachts gut zu regenerieren. Nachts wird das Gelernte gespeichert, Giftstoffe werden abgebaut, das Gehirn wird mit Lymphe geflutet, das Immunsystem erholt sich. Muskeln, Knochen, Knorpel und Haut sowie Darm und Lunge regenerieren.

Wer zu viel schläft, hat theoretisch mehr Zeit zur Regeneration. Wie also soll ein kausaler Zusammenhang zwischen zu viel Schlaf und einer schlechten Gesundheit hergestellt werden?

Die Antwort: Es handelt sich um Begleiterscheinungen, keine direkten Zusammenhänge. Wer zu viel schläft (mehr als 8 Stunden), weist wahrscheinlich auch einige dieser Faktoren auf, die in den Studien genannt werden:

  • Geringes Einkommen
  • Schlechter sozioökonomischer Status
  • Depressionen
  • Burn-out
  • Chronische Infektionen
  • Schilddrüsenunterfunktion
  • Wenig sportliche Betätigung
  • Krebs-assoziierte Müdigkeit
  • Hohes Alter

Der Zusammenhang ist also, dass zu viel Schlaf keine Krankheiten verursacht, sondern, dass bestimmte Krankheiten oder Zustände dafür sorgen, dass man überdurchschnittlich viel schläft. Diese Krankheiten oder Zustände begünstigen auch eine erhöhte Sterblichkeit.

Ich schlafe sehr viel. Was bedeutet das?

Jeder Mensch braucht unterschiedlich viel Zeit, um sich nachts zu erholen. Manchmal sind es genetische Faktoren, manchmal Vorerkrankungen, manchmal Faktoren der Lebensführung – wer mehr als die durchschnittlichen 8 Stunden schläft, muss sich also nicht automatisch Sorgen machen, dass ein erhöhtes Sterberisiko besteht.

Aber wer überdurchschnittlich viel schläft, sollte sich Gedanken machen, welche der genannten Faktoren dafür verantwortlich sein könnten, dass man so viel schläft. Bestehen irgendwelche Vorerkrankungen? Sind es psychische Faktoren? Ist es Schlafapnoe?

So kannst auch du Rückschlüsse auf deine Lebensführung schließen und selbst entscheiden, ob dich dieses Wissen nun zum Handeln animieren sollte, oder nicht.

Viel Schlaf bedeutet nicht automatisch, dass du in Gefahr schwebst. Aber es hat womöglich einen Grund, warum dein Körper mehr Schlaf braucht als der Durchschnitt.

Wie viel schläft der durchschnittliche Deutsche?

In Studien wird die durchschnittliche Schlafdauer mit 6-8 Stunden pro Nacht angegeben. Die meisten Menschen schlafen 6-8 Stunden. Dabei ist die optimale Schlafdauer individuell – während die einen mit 6,5 Stunden früh erholt aufwachen, brauchen die anderen mindestens 7,5 Stunden, um wirklich fit zu sein.

Wie findest du heraus, was die optimale Schlafdauer für dich ist? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn diese Frage impliziert, dass der Mensch immer noch in seinem natürlichen Habitat lebt.

Der Mensch im 21. Jahrhundert ist jedoch weit davon entfernt. Was wir jedoch tun können ist, so viel Natürlichkeit wie nur möglich in unseren Alltag zu bringen.

Ein guter Tag-Nacht-Rhythmus und eine erholsame Schlafhygiene sind Grundlage für guten Schlaf. Erdung während des Schlafes ist auch ratsam. Mit der Sonne leben, abends auf große Mahlzeiten, Stress, Sport oder künstliches Licht verzichten unterstützt die nächtliche Regeneration zusätzlich.

Morgens versuche, so lange zu schlafen, bis du von allein aufwachst. Ohne Wecker. Für viele bedeutet das, in Gleitzeit zu gehen oder dieses Experiment am Wochenende oder im Urlaub auszuprobieren. Je besser du dich erholst und regenerierst, desto leichter wirst du deinen natürlichen Schlafrhythmus finden. Für die meisten Menschen sind das 7-8 Stunden pro Nacht.

Schläft der Mensch schon immer so?

Wie hat der Mensch im Mittelalter, in der Antike, wie in der Steinzeit geschlafen? Diese Frage haben sich Schlafforscher schon häufig gestellt.

Aufzeichnungen zufolge haben die Menschen vor Erfindung der Elektrizität (um 1900) 8-10 Stunden pro Nacht geschlafen. Durch die industrielle Revolution hat sich der Mensch immer mehr nach der Uhr gerichtet, ist früh aufgestanden, aber auch früh ins Bett gegangen. Denn nach Sonnenuntergang gab es nur noch Kerzenlicht, Feuer oder Dunkelheit. Und auch Kerzenlicht und Feuer machen bekanntermaßen müde. Erst nach Erfindung des elektrischen Lichts hat sich der Tag-Nacht-Rhythmus der Menschheit immer mehr verschoben.

Es ist davon auszugehen, dass vor Beginn der industriellen Revolution die Menschen 8-10 Stunden pro Nacht geschlafen haben. Bei Naturvölkern ist eine ähnliche Schlafdauer zu beobachten.

Interessant ist aber auch, dass der Schlaf nie monophasig geschlafen hat. Monophasig bedeutet, dass wir uns ins Bett legen, am Stück schlafen, und früh aufstehen.

Aufzeichnungen aus den der letzten Jahrhunderten deuten darauf hin, dass die meisten Menschen von Natur aus biphasische Schläfer sind. Das bedeutet, sie hatten zwei Schlafphasen in der Nacht. Die erste Schlafphase mit einer Dauer von 3-5 Stunden, dann eine etwa einstündige Wachaktivität nachts, gefolgt von einer zweiten Schlafphase von 3-5 Stunden.

Durch die industrielle Revolution, die Taktung des Tages in Arbeitseinheiten und die Erfindung des elektrischen Lichts hat sich nicht nur der Tag-Nacht-Rhythmus der Menschen dramatisch verändert, sondern auch die Schlafdauer und die Art des Schlafens.

Vielleicht ist das der Grund, warum viele Menschen trotz ausreichend Schlaf früh nicht erholt aufwachen. Was sie eigentlich biphasisch schlafen sollten.

Das war nur ein kleiner Exkurs in die eine Richtung – es sind noch viele Fragen, die rund um Schlaf beantwortet werden sollten. Nicht nur, ob wir zu viel oder zu wenig schlafen, sondern auch, wie.

Glühbirne auf schwarzem Hintergrund

Ob Thomas Edison bewusst war, welche weitreichenden Folgen diese unscheinbare Glühbirne haben wird?

Fazit – Zu viel Schlaf und die Sterblichkeit

Zu wenig Schlaf ist ungesund, das wird immer deutlicher. Doch zu viel Schlaf ist auch mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden. Dafür sind wahrscheinlich Ko-Morbiditäten und weitere Faktoren verantwortlich, die dafür sorgen, dass der Körper nachts mehr Regeneration braucht oder Faktoren, die eine geringe Gesundheit begünstigen.

Doch wer überdurchschnittlich viel schläft, hat nicht automatisch ein erhöhtes Risiko für die Gesundheit. Doch sollte die Frage gestellt werden, warum der Körper so viel Schlaf braucht.